“Tue deinem Körper etwas Gutes, damit die Seele Lust hat, darin zu wohnen.” – Teresa von Ávila
Qi Gong [氣功] und Tai Chi Chuan [太極拳] sind chinesische Bewegungs-, Meditations- und Kampfkunstformen. Es sind die bedeutendsten Kulturgüter des chinesischen Volkes und Bestandteil der traditionellen chinesischen Medizin (TCM).
Qi Gong und Tai Chi Chuan haben unendlich viele Aspekte. Es gibt etwas, was alles verbindet:
Das Zentrum ist das Herz. 心 者 生 之本 [Xin, zhě, shēng, zhī, běn] „Das Herz ist die Wurzel des Lebens“.
– Huang Di Nei Jing (Klassiker der Inneren Medizin oder Der Gelbe Kaiser der Inneren Medizin)
- Qi Gong (Arbeiten mit dem Qi) ist zur Gesunderhaltung und Therapie.
- Die Wurzeln sind wohl in schamanischen Tänzen und in Tierimitationen zu suchen. Daraus entwickelte sich ein Bewegungssystem, das durch daoistische Philosophie, Buddhismus und chinesischer Medizin maßgeblich beeinflusst wurde.
- Tai Chi Chuan gehört zu der Familie der sogenannten inneren Kampfkünste, die Sanftheit und Entspannung als Grundlage haben, im Gegensatz zu den äußeren Kampfkünsten, mit den Aspekten Schnelligkeit, Stärke, Kraft.
- Einer Legende zufolge wurde es in den Wudan Bergen Chinas entwickelt.
- In den verschiedenen Stilen und Schulen werden verschiedene Basisübungen wie Einzelbewegungen, Stand- und Atemübungen sowie Standmeditationen praktiziert. Sie dienen dazu, die Bewegungsprinzipien des Taijiquan zu erlernen, die Gelenke zu lockern, den ganzen Körper zu entspannen und die Körperhaltung nach und nach so zu verändern, dass ungünstige Gelenkbelastungen vermieden werden. Häufig werden dabei Übungen aus Systemen des Qigong verwendet.
Qi Gong und Tai Chi Chuan die traditionelle Kampfkunst vereinigen daoistischen Methoden und Philosophie zur Selbstkultivierung (Daoying) (deutsch: Lebenspflege). Selbstverteidigung, Heilung und Meditation sind eine einzigartige Kombination.
Das Konzept dahinter basiert auf dem Qi. Man könnte es mit „Lebensenergie, Vitalität“ übersetzen.
Aus der Sicht der chinesischen Medizin (TCM) bedeutet es, das freie Fließen des Qi durch die Meridiane, die Energiebahnen, im Körper zu ermöglichen.
Solange der Fluss des Qi in den Meridianen nicht blockiert ist (zu viel oder zu wenig) und sich diese in Harmonie befinden, ist der Mensch gesund. Die Organe, die mit den Meridianen verbunden sind, arbeiten harmonisch zusammen. Das Besondere an diesem System ist, dass kein Unterschied gemacht wird zwischen Körper, Geist und Seele.
Herkunft und Entwicklung:
Als Bewegungskunst zur Gesunderhaltung und Therapie hat Qi Gong bereits eine sehr lange Geschichte. Gemäß den alten Geschichtswerken wussten die Menschen schon zu Yaos Dynastie (Legendärer Herrscher der Vorzeit) vor mehr als 4000 Jahren „Tanz und Bewegung“ als Heilmethoden einzusetzen. Es gibt den „Gürtelanhänger aus Jade“ mit einer Inschrift über das Fließen des Qi aus dem Jahr 770 v Chr. oder das Seidentuch aus dem Mawangdui-Grab Nr. 3 (168 v Chr.) mit einer Qi Gong-Bewegungsabfolge. Die Wirksamkeit der Qigong-Übungen zur Prophylaxe und Therapie konnte und wird mit wissenschaftlichen Methoden bewiesen.
So wurde in Juli 1979 hierzu das Internationale Institut für traditionelle chinesische Medizin in China gegründet.
Darüber hinaus gibt es weltweit wissenschaftliche Untersuchungen dazu. Die vielen Forschungen führen zur Weiterentwicklungen der Bewegungslehre und immer mehr zum ergänzenden Einsatz in der klinischen Anwendung.
- In der klinischen Anwendung des Qi Gong finden sich Übungen unter anderem für:
- Körpergeschmeidigkeit
- Stressabbau,
- Entspannung,
- Gelassenheit und
- Konzentrationsfähigkeit,
- Diese Wirkungen nehmen wiederum Einfluss auf:
- Stoffwechsel,
- Hormonsystem,
- Nervensystem,
- Herz- und Kreislaufsystem,
- Blutparameter,
- Atemfunktion,
- Verdauungssystem.
Es ist wichtig zu betonen, dass wir es hier mit einem historisch gewachsenen Prozess zu tun haben, der eine ganz eigne Terminologie besitzt und aus einem fremden Kulturkontext stammt. Er begründet sich auf Erfahrungswissen, auch wenn dies heute mehr und mehr wissenschaftlich untermauert wird.
- Qi Gong und Tai Chi Chuan bieten die Gelegenheit, sich eigener einengender Körper- und Bewegungsmuster in einem viele stärkeren Maße bewusst zu werden.
- Kann ich neue Bewegungen finden, die ich noch nie gemacht habe?
- Kann ich Bewegungen einfach entfalten lassen?
- Erlaube ich meinem Körper, der Energie (Qi) zu folgen, die Energie frei fließen zu lassen?
- Qi Gong und Tai Chi Chuan sind:
- keine gymnastische Übungen,
- für jedes Alter geeignet.
Körperhaltung und Bewegung, angeleitet durch die geistige Konzentration, Imagination, Visualisierung und innerer Betrachtung, stellen die wichtigsten Mittel zur Beeinflussung körperlicher und seelischer Funktionen dar. Im Qi Gong und Tai Chi Chuan wird das Qi mit der Vorstellungskraft dem Yi [意] gelenkt. Das Qi folgt dem Yi.
Das Schöne an diesem Bewegungssystem ist, dass man keine aufwendigen Geräte benötigt, sondern es wird die Schwerkraft benutzt sowie die Vorstellungskraft.
Die weichen, fließenden Bewegungen lassen uns wieder in uns ankommen. Indem wir unseren Körper neu wahrnehmen, entsteht in uns ein Gefühl von Weite und „Verbundenheit mit Allem“. Wir finden zurück zur inneren Balance (zum Ursprung). Wir haben den richtige Weg eingeschlagen, wenn das Herz ruhig und gelassen wird und ein Gefühl von Glück, Frieden, Leichtigkeit und Dankbarkeit Körper, Geist und Seele erfassen.
„Es ist aber, gerade der Osten, der uns ein anderes, weiteres, tieferes und höheres Begreifen lehrt, nämlich das Begreifen durch das Leben“ – Carl Gustav Jung, Schweizer Psychiater
Ein anderer Aspekt ist die persönliche Entwicklung auf Grundlage der Erfahrung in der Kampfkunst und dies in den Alltag mit nehmen zu können, wie man aus dem folgenden Zitat leicht selbst herleiten kann.
„Noch einmal muss ich eure Aufmerksamkeit auf eine goldene Regel beim Weg des Schwertes lenken.
Die erste Sorge desjenigen, der angreift, sollte sein, sich niemals derart festzulegen, dass, wenn sein Versuch fehlschlagen sollte, er sich nicht wieder sicher zurückziehen kann. In anderen Worten: Greife nie in einer Art und Weise an, bei der du dich nicht gegen einen Gegenschlag verteidigen kannst.“ – Richard Burton
Nicht zuletzt folgt Tai Chi Chuan mit seinem Aspekt der Sanftheit und ohne körperliche Krafteinsatz der philosophische Aussage, dem Wasser – „Wasser Methode“
„Nichts auf der Welt ist so weich und nachgiebig wie das Wasser. Und doch bezwingt es das Harte und Starke.“
– Laotse, Philosoph China
In der Weisheit entwickelten die alten Qi Gong und Tai Chi Chuan Meister die verschiedensten Formen und gaben sie an uns weiter. Diese Formen sind von einer Art, die in uns, wenn man sie läuft, ihre kämpferischen und therapeutischen Inhalte (Gesundheitsförderende Übungen) entfalten. In diesem Sinne pflegen auch wir in Biebertal die überlieferten Übungssysteme.
Wenn man gewissenhaft, fleißig und diszipliniert übt, dann erfährt man eine Veränderung auf diesen Weg. Es gibt ein neues Verständnis und Gefühl für den Körper (erste Ebene) gefolgt von einer geistigen Entwicklung (zweite Ebene) und deren zusammenwirkend schließlich der Seele.
Das Buch der Spontanität sagt im Kapitel „Das Leben verstehen“:
„Das Geheimnis der Lebenskunst besteht nicht darin, besser zu treffen (z.B. beim Bogenschießen) – sprich etwas erreichen zu wollen (z.B. im Alltag), sondern darin leichter los zu lassen.”
– Zhuāngzǐ (Chinesischer Philosoph um 365 v. Chr.)
„Nimm dir jeden Tag Zeit, still zu sitzen und auf die Dinge zu lauschen. Achte auf die Melodie des Lebens die in Dir schwingt.” – Buddha
Daher: Wer Körper, Seele und Geist in Einklang bringen will, gehe den Weg des Herzens.
Euer – Klaus Pokorny
Fotos: Klaus Pokorny